Zu früh ins Leben gerissen

Zu früh ins Leben gerissen

Während es früher noch hieß, ein Neugeborenes solle durch körperlichen Kontakt nicht zu sehr verwöhnt werden, wird heute gekuschelt was das Zeug hält – und im Krisenfall der Frühgeburt versucht, die elterliche Nähe durch technische Lösungen zu imitieren.

Als Frühgeborenes in die Welt

Jedes zehnte Kind in Deutschland kommt zu früh auf die Welt. Frühgeborene Kinder verlassen mindestens drei Wochen zu früh die gewohnte Umgebung des Bauches der Mutter. Für die Neugeborenen werden aus gedämpften Geräuschen plötzlich klirrende Töne und wirre Stimmen, aus der wohligen Dunkelheit wird das grelle Licht der Intensivstation und aus der Schwerelosigkeit im Fruchtwasser werden Schläuche und Sonden, die schwer auf dem zierlichen Kind liegen. Bei Frühgeborenen löst das vor allem eines aus: Stress. Und den gilt es für ein gutes Gedeihen der Kinder, wie es im Fachjargon heißt, zu vermeiden.

Geburten nach Schwangerschaftswochen im Jahr 2019 in der Schweiz. Angaben in Prozent bei einer Grundgesamtheit von 86 172. Quelle: BEVNAT.

„Wenn gleich die Zwillinge kommen, dann wollen wir die Kinder noch im Rahmen der Erstversorgung auf die Brust der Mutter legen“, erklärt Oberarzt Michael Zeller, Neonatologe an der Kinderklinik Dritter Orden in Passau, während er gelassen über eine in dreißig Minuten bevorstehende Geburt nachdenkt. Den Stress für Neugeborene zu reduzieren, gelingt in der oft Wochen und Monate andauernden Behandlung, indem körperliche Nähe zu den Eltern geschaffen wird. Die bewährteste Methode dabei ist die sogenannte Känguru-Pflege.

Die Mutter…

…macht den Oberkörper frei. Setzt sich bequem, halb lagernd auf einen Stuhl. Das Neugeborene wird ihr nur mit Windel bekleidet von einer Schwester bäuchlings auf die Brust gelegt. Der zierliche Körper ist bedeckt mit einem Handtuch oder einer Decke. So verweilen Mutter und Kind mehrere Stunden, so oft und so lange wie möglich. Bauch an Bauch. Haut an Haut. Herzschlag an Herzschlag. Berühren einander und kuscheln.

„Kuscheln. Das klingt so plüschig, so nett, so süß. Es ist kein Kuscheln, es ist ein therapeutischer Haut-an-Haut-Kontakt“, betont Michael Zeller eindringlich. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass sich das intensive Spüren der Eltern – vor allem der Mutter; der Vater ist noch weitgehend unerforscht – auf die körperliche und geistige Entwicklung der Frühgeborenen auswirkt. Es beeinflusst eine bessere Regulation der Körpertemperatur und damit eine bessere Gewichtszunahme, sowie die Stabilisierung der Herz- und Atemfrequenz. Die Methode fördert zudem die Laktation der Mutter, was notwendig ist, um das Frühgeborene ausreichend mit Muttermilch zu ernähren, und der Kontakt hat positive Effekte auf die Infektionsprophylaxe und die Eltern-Kind-Bindung. Denn wenn sich Menschen gegenseitig berühren, dann produziert der Körper Oxytocyn, das sogenannte Kuschelhormon. Dieses beruhigt sowohl Mutter als auch Kind und stimuliert die Brustdrüsen zur Milchabgabe. Kurz: Durch den Haut-an-Haut-Kontakt entwickelt sich das Frühgeborene besser, weil es durch das Gefühl von Geborgenheit und Ruhe weniger Stress auf der Intensivstation empfindet.


Eine andere Art des Kuschelns, nämlich die zwischen zwei Erwachsenen, können Sie bei Anna Käfer lesen, die den Beruf der professionellen Kuschler:in erläutert.


Haut ist nicht gleich Haut

Jedoch ist nicht jeder Hautkontakt für die Frühgeborenen förderlich. Die Kinder erkennen die Spezifika ihrer Eltern, betont Michael Zeller: „Das muss uns wirklich bewusst sein: Ein Neugeborenes kommt nicht als Tabula rasa auf die Welt.“ Neugeborene sind geprägt vom Geruch, dem Herzschlag, von den Stimmen und den Berührungen der Eltern, weshalb der Haut-an-Haut-Kontakt nur bedingt durch Dritte wirksam wird. Zeller spricht von deprivierten Kindern, denen ihre Eltern fehlen, obwohl diese körperliche Behandlung von Physiotherapeut:innen bekommen. Dies sei aber nur ein Mittel, um die fehlende Anwesenheit der Eltern auszugleichen, die elterliche Nähe lässt sich auf diese Weise nicht ersetzen.

„Machen wir einfach mal das Gedankenexperiment: Sie haben verbundene Augen, haben Kopfhörer auf den Ohren. Liegen in Badesachen auf einer Wiese und es kommen zehn verschiedene Menschen und legen einfach nur die Hand auf ihre Schulter. Einer davon ist ihr Freund. Die neun anderen Menschen wollen gar nichts Böses, trotzdem ist das spooky. Denn jeder von uns berührt anders.“

Michael Zeller

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Michael Zeller, Oberarzt und Neonatologe der Kinderklinik Dritter Orden in Passau. Foto: Obwandner.

Zudem lösen viele verschiedene Reize bei Frühgeborenen schnell eine Überflutung aus. Bei einem klassischen Dreischichtsystem gehen die Kinder aber gezwungenermaßen pro Tag durch sechs verschiedene Schwesternhände – das bewirkt Stress. Deshalb versucht die moderne Neonatologie aktiv, die Eltern mit in die Behandlung einzubinden: „Wir haben auch schon die Behandlungszeiten nach einer Milchbauern-Familie ausgerichtet, wo völlig klar war, die müssen morgens, mittags und abends den Stall machen. Dazwischen kann die Mutter herkommen und abends, wenn alles fertig ist, kommt der Papa zur Känguru-Pflege“, erzählt Michael Zeller.

DIE ENTWICKLUNG DER KÄNGURU-PFLEGE



1970-1979
Noch zu Beginn der 1970er-Jahre durften frühgeborene Kinder in den Vereinigten Staaten erst nach 21 Tagen besucht werden. So lange waren die Kinder von ihreren Müttern getrennt – und erlebten keinerlei Körperkontakt. Zwei US-amerikanische Forscher, Klaus Marshall H. und John H. Kennel, vermuteten einen Zusammenhang zwischen dieser Trennung und dem späteren Gewaltmissbrauch an Kindern. Sie untersuchten die Auswirkungen von „Extra Contact“ zwischen Müttern und ihren Säuglingen, und stellten einen positiven Effekt auf die Mutter-Kind-Bindung fest. Unabhängig davon forschten Drs. Edgar Rey und Hecor Martinez, zwei Neonatologen aus Kolumbien, an der gleichen Methode, die sie als Kangaroo Mother Care betitelten.
 
1980-1989
1983 stellten Rey und Martinez erstmals wissenschaftliche Befunde der Kangaroo Mother Care vor: Bereits im ersten Jahr sank die Frühgeborenensterblichkeit durch den engen Haut-an-Haut-Kontakt um 70 Prozent. Denn die Känguru-Methode half, die fehlenden Inkubatoren zu ersetzen und so den Wärmeverlust der Frühgeborenen zu regulieren. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Methode positive Effekte auf die Dauer des Stillens und die Muttermilchbildung hatte.  
 
1990-1999
In den 1990er-Jahren wurde die Forschung zur Känguru-Methode maßgeblich vorangetrieben. Insbesondere drei Themen standen dabei im Vordergrund:
Erstens, die physiologischen und verhaltensbezogenen Effekte, etwa auf die Herz- und Atemfrequenz, das Gewicht, die Schlafphasen und, wie häufig Frühgeborene weinen. Zweitens, die Auswirkungen auf das Stillen, und drittens, wie sich der frühe Körperkontakt zwischen Mutter und Säugling auf die emotionale Bindung zwischen beiden auswirkt. 1992 fand die Känguru-Methode im Zuge der Initiative „Baby Friendly Hospitals“ auch Einzug in die Krankenhäuser und 1998 setzte sich UNICEF für die nationale Umsetzung ein.
 
2000-2009
In der darauffolgenden Zeit fand die Känguru-Pflege in fast allen Krankenhäusern Anwendung und wurde von internationalen Organisationen als wichtiger Aspekt der Säuglingspflege deklariert. Der enge Haut-an-Haut-Kontakt hat sich als wissenschaftliche Intervention etabliert, die auf verschiedenen Ebenen der Neugeborenenversorgung in allen Ländern praktiziert wird.
 
2010-2019
Einen neuen Schwerpunkt der Känguru-Pflege stellt im letzten Jahrzehnt die Forschung zur Regulation des Mikrobioms des Säuglings dar. Gleichzeitig wird an den Auswirkungen des Haut-an-Haut-Kontakts für das Schmerzmanagement, sowie der der kognitiven und physiologischen Entwicklung weiter geforscht, und die Känguru-Zeiten für Mütter und Väter immer weiter erhöht. In diesem Jahrzehnt spricht sich ebenso die WHO für die Methode aus. Aber auch neue Technologien kommen zum Einsatz, um den engen Kontakt nachzuahmen.

Wenn Mama und Papa nicht vor Ort sein können

Die Eltern-integrierende Behandlung steht jedoch vor diversen Herausforderungen, etwa wenn das frühgeborene Kind Geschwister hat, um die es sich zu kümmern gilt, aus finanziellen Gründen weiter den Berufen nachgegangen werden muss, oder lange Pendelzeiten von der Klinik zum Wohnort ausstehen. Kann die Känguru-Pflege gerade nicht durchgeführt werden, wird versucht, den Kindern anderweitig elterliche Nähe zu vermitteln. Um den Geruch der Mama oder des Papas und damit beruhigende Nähe auszustrahlen, legt das Intensivpersonal beispielsweise ein getragenes Shirt in diesen Brutkasten. In vielen Stationen gibt es ebenso Konzepte – vom Stationsradio bis hin zum im Inkubator integrierten USB-Slot – den akustischen Sinn der Frühgeborenen zu stimulieren, indem dem Kind Stimmaufnahmen der Eltern vorgespielt werden. Die Wärme und Feuchtigkeit, die ansonsten vom Mutterleib übertragen werden, erhält das Kind vom Inkubator. 

Auch digitale Techniken sollen dabei helfen, die Nähe zu den Eltern zu simulieren. So auch beispielsweise ein System des ehemaligen Start-Ups BabyBe, das Ende letzten Jahres von Natus Medical übernommen wurde.

Thomas Schaible, Professor und Direktor der Klinik für Neonatologie am Universitätsklinikum. Foto: Universitätsklinikum Mannheim.

„Das BabyBe-System ist halt eine Unterstützung – eine schöne Unterstützung – aber soll bitte nicht die Mutter ersetzen.“

Thomas Schaible

„Der direkte Hautkontakt ist sehr wichtig, aber es ist auch für die Mutter anstrengend, 24 Stunden Känguru-Pflege zu betreiben“, meint Thomas Schaible, Professor und Direktor der Klinik für Neonatologie am Universitätsklinikum Mannheim. Hier kommt die Technik von BabyBe zum Einsatz. Das System nimmt die Daten der Stimme, sowie Lungen- und Herzbewegungen der Mutter auf, und überträgt diese an eine bionische Matratze, auf der das Frühgeborene liegt. Die Gelmatratze simuliert die spezifischen Bewegungen der Lungenflügel der Mutter und ihren Herzschlag. Thomas Schaible erforscht derzeit zusammen mit neun weiteren deutschen Kliniken das System in einer Studie, bei der verschiedene Entwicklungsparameter wie beispielsweise die Gewichtszunahme, in zwei Vergleichsgruppen aufgezeichnet werden. Die eine Gruppe verbringt die Nächte in der Intensivstation auf der Matte, während die Kontrollgruppe ohne eine solche in den Inkubatoren überwacht wird. Studienergebnisse werden Mitte 2022 erwartet, nachdem im besten Fall 250 Kinder untersucht wurden. Die Technik soll eine sinnvolle Ergänzung darstellen, die Zeiten zu überbrücken, in denen Eltern nicht vor Ort sein können, jedoch in keinem Fall einen Mutterersatz darstellen.

Das Kind…

…liegt auf einer kräftig blauen Gelmatratze. Die Mama hält sich eine blau-weiße Matte in Schildkrötenform an die Brust. Und atmet für ein paar Minuten tief ein und aus. Sie überträgt damit ihren Herzschlag und ihre Atmung an ihr Kind Und das Frühgeborene schläft ruhig ein – im Glauben, auf dem Oberkörper der Mutter zu liegen

Durch Techniken können nicht nur temporäre, sondern auch örtliche Distanzen überbrückt werden. Michael Zeller erzählt von Eltern, die durch Landesgrenzen getrennt sind, beide jedoch ihre Kinder digital sehen können – dank des installierten Kamerasystems Babywatch. Auch Thomas Schaible kündigt ein Live-Kamera-System an, das bereits in den Startlöchern stehe. Mit diesem könnten die Eltern ihr Kind dann rund um die Uhr auf dem Bildschirm sehen. Um dem Kind nahe zu sein. Und zur eigenen Beruhigung und damit zur notwendigen Erholung.

Der Vater…

…sitzt auf den Malediven. Die Mutter schwanger mit Drillingen in Passau. Die Geburt wird in der 24. Woche deutlich zu früh eingeleitet – ohne den Vater. Er muss noch mindestens zwei Wochen 7.558 Kilometer entfernt auf sein Visum warten. Durch die Kameraaufnahme blickt er auf seine Kinder wenigstens auf dem Bildschirm. 

Die Eltern als Behandelnde und nicht als Besucher:innen

Die Kinderklinik Dritter Orden in Passau hat aufgrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und Best-Practice-Beispielen aus skandinavischen Ländern folgend die Intensivstation familienzentriert umgebaut. Das muss eine Klinik sich jedoch leisten können. Matthias Keller, ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche, hat während des geplanten Umbaus eine große Spendenkampagne für drei Millionen Euro gestartet: „Wir dachten alle: Gut, jetzt melden wir ihn in der Psychiatrie an, das wird nie funktionieren“, erinnert sich Michael Zeller, „aber es hat funktioniert.“

Die Spendenaktion ermöglichte den Ausbau von Rooming-in Konzepten, wo auch die Eltern und Familien in der Klinik mitaufgenommen werden, als fester Teil der Behandlung vor Ort. Diese Konzepte schaffen Rückzugsorte für Eltern direkt an der Intensivstation, wodurch die maximale örtliche Nähe und Erreichbarkeit zum Frühgeborenen geboten wird. Gleichzeitig werden die Familien durch den Zuwachs an Privatsphäre nicht länger unmittelbar mit den Schicksalen anderer Familien konfrontiert und dadurch gestresst.

„Als ich angefangen hab, vor über 30 Jahren, da haben wir noch ein Schild vorne an der Tür der Intensivstation gehabt: Besuchszeit 15 Uhr, montags und freitags.“

Thomas Schaible

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„Wir hatten so einen großen Raum mit 18 Inkubatoren drin, da hat es gebimmelt wie auf der Alm. Für mich super, wenn ich mit einem Blick praktisch alle Kinder im Blick hatte. Aber für die Eltern, die auf der einen Seite ihr Kind gepflegt haben, und auf der anderen Seite gesehen haben, wie ein anderes Kind gestorben ist, ein extrem schlechtes Setting.“

Michael Zeller

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Das ist jedoch nicht auf vielen Neugeborenen-Intensivstationen in Deutschland in dieser Art und Weise möglich. Denn die Kinderkliniken in Deutschland richten sich in der Regel nach ihren Patient:innen, den Kindern, und nicht nach der ganzheitlichen Versorgung der Familien. Thomas Schaible sagt: „Wir haben noch nicht diese moderne Intensivstation, wo die Mutter direkt in der Nähe des Kindes schlafen kann und, wo die Umgebung auch für die Mutter so stressarm wie möglich ist.“ Denn die Mutter wird am nächsten Tag ausgeruht und erholt gebraucht, um sich wieder der Känguru-Pflege zu widmen. Dafür benötigt es Rückzugsmöglichkeiten, die meistens nur das eigene Zuhause bieten kann.

Die Eltern…

…kommen morgens um 9 Uhr in die Mannheimer Intensivstation zu Besuch. Sie legen sich das Neugeborene für drei Stunden auf die Brust. Betreiben Känguru-Pflege bis mittags. Dann Pause und Schichtübergabe. Danach noch einmal Känguru-Pflege bis 18 Uhr abends. Noch einmal die Milch abpumpen. Dann verlassen die Eltern die Intensivstation. Sie gehen nach Hause, erholen sich für den nächsten Achtstundentag

Setting eines Einzelzimmers der Neo-Intensivstation der Kinderklinik Dritter Orden in Passau, mit einem speziellen Känguru-Stuhl und dem  integrierten System Babywatch.

Selbstbewusste Eltern, selbstbewusste Kinder

Das Kind…

…will zu Hause nicht trinken. Das Kind schreit. Die Eltern sind besorgt. Sie fahren wieder in die Klinik. Lassen von Ärzt:innen nachsehen, ob alles in Ordnung ist.

Nicht nur für die Kinder hat die familienzentrierte Behandlung ihre Vorteile, sondern es ergeben sich auch Synergien für die Eltern selbst, allen voran in der Selbstwirksamkeit. „Unsere Eltern trauen sich deutlich mehr zu und sind viel selbstbewusster, wenn wir sie von Anfang an in die Handlungsfähigkeit bei der Behandlung bringen“, erklärt Michael Zeller. Durch den stationären Aufenthalt entwickeln die Eltern ein technisches Verständnis und häufen medizinisches Wissen zur Pflege ihres Kindes an, was die Zeit nach der Entlassung maßgebend prägt.

„Meine erste Frage an die Eltern ist immer, wie geht es ihrem Kind heute? Die ersten drei bis vier Tage gucken sie mich alle mit großen Augen an und sagen: ‚aber du bist doch der Arzt, und du musst mir sagen, wie es meinem Kind geht.‘ Aber die Eltern entwickeln ganz schnell den Blick dafür.“

Michael Zeller

„Bevor wir den familienintegrierenden Behandlungspfad gestartet haben, ist jedes fünfte Kind, also knapp 20 Prozent, innerhalb der ersten zwei Monate nach Entlassung wieder stationär aufgenommen worden, ohne dass es einen harten medizinischen Grund gab. Im ersten Jahr der Umstellung waren es noch sechs Prozent, im zweiten sind wir praktisch auf null Prozent runter gegangen“, stellt Zeller die Ergebnisse der Arbeit des Passauer Klinikums vor. Durch die aktive Einbindung der Eltern in die Behandlung und die Förderung der Eltern-Kind-Bindung will man vor allem, dass das Kind nicht immer den Frühgeborenen-Rucksack tragen muss. „Das ist eigentlich das Hauptziel der Bindung: Dass man aus den Frühgeborenen einen selbstbestimmten, selbstsicheren und gefestigten Menschen am Ende bekommt“, meint Thomas Schaible. So auch hoffentlich bei den Zwillingen, die unmittelbar nach dem Gespräch mit Michael Zeller gesund zur Welt gekommen sind. Die Mutter machte jedenfalls einen sehr zuversichtlichen und zufriedenen Eindruck.


IM PODCAST: Katarina Eglin und Daniel Popovic

Wenn Sie mehr über die Perspektive der Eltern erfahren wollen, dann hören Sie doch mal in den Podcast rein, bei dem ich mit Katarina Eglin, Frühgeborenen Mama und Pressereferentin des Bundesverbands „Das Frühgeborene Kind“ e.V. und Daniel Popovic, Betreiber des Blogs Frühchenwelt und Frühgeborenen Papa, darüber gesprochen habe, wie es Eltern in den Intensivstationen geht, und welche Nähe- und Distanzerfahrungen sie während einer Frühgeburt erleben.


Irgendwo schlummert in mir ein Kinderwunsch. Den habe ich, seit ich vor elf Jahren einen kleinen Bruder bekommen habe, und so zum ersten Mal in den direkten Kontakt mit einem Neugeborenen kam. Durch meine Recherchen über Frühgeborene wurde mir jedoch klar, wie romantisiert sich das Muttersein bis dato in meiner Vorstellung manifestiert hatte. Aus Naivität heraus – und vielleicht auch dem Umstand geschuldet, dass das doch noch eine Weile dauern wird, mit der gewollten Schwangerschaft – habe ich die riesen Verantwortung verdrängt, die man mit einer Geburt seinem Kind, aber auch sich selbst gegenüber hat. Verantwortung, die Eltern eines Frühgeborenen ein Stück weit im Krankenhaus an die Neonatolog:innen und an die Geräte abgeben, an die das Kind gebunden ist. Ich bin immer noch fasziniert davon, wie die moderne Medizin den kleinsten Menschen dieser Welt ihr Leben ermöglicht.

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