Dem Teufel braucht man keinen Schwur zu halten

Überall im deutschsprachigen Raum kann man Mythen und Legenden finden, alte und neue Geschichten, wie der Teufel gerne seine Finger im Spiel hat. Diese Schreck­geschichten sind ein Teil unserer abendländischen Kultur. Doch obwohl ein Schwur, in diesem Fall der Pakt mit dem Teufel, einen Vertag, ein Versprechen darstellt, mussten sich die Betroffenen in den Geschichten an dieses Bündnis nicht gebunden fühlen. Geschichte und Geschichten von Pakten, in denen der Teufel ausgetrickst wurde.

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Der Vertrag mit dem Teufel – unter Dach und Fach


Für mittelalterliche Geschichten war der Pakt mit dem Teufel etwas durchaus Übliches. In den alten Städten kann man dem noch nachspüren – wie in der Weltkulturerbe-Altstadt von Regensburg. Die Legende zeigt, dass selbst der Teufel ausgetrickst werden kann, wenn er es versäumt, seine verführerischen Angebote schriftlich zu fixieren.

Verschlagen blickt er zur Seite. Schaut man in sein hässliches Antlitz, sieht man dem Teufel ins Gesicht. Der Dämon ist schuppig, mit Flügeln und Krallen – auf ewig in Stein gehauen. Im Regensburger St. Petrus Dom lauert er in einer dunklen Ecke, am Ende des Kirchenschiffs, gegenüber dem Hochaltar. Auf der anderen Seite sitzt des Teufels Großmutter, ebenfalls ein dämonisches Wesen mit Flügeln, Schweif und herausgestreckter Zunge.

So haben sich die Leute im Mittelalter den Teufel vorgestellt. Er konnte sich auch als Mensch tarnen, um zu verführen. Sein Ziel war, an die menschliche Seele zu gelangen. Heute glaubt kaum jemand an einen menschgewordenen Teufel. Mehr aber als man auf den ersten Blick meint, haben die alten Legenden Spuren in unserer Gesellschaft hinterlassen.

Der Ursprung des Teufelsbunds reicht zurück bis ins Alte Testament. Der Begriff „Satan“ stammt aus dem Hebräischen und bedeutet „Widersacher“. Aber erst im Neuen Testament kam der Teufel als Gegenspieler Gottes ins Spiel. Ursprünglich sollten Teufelspakt-Erzählungen die Leute davon abhalten, vom christlichen Glauben abzufallen. Fehltritte wie Ehebruch oder Aberglaube endeten brutal und tödlich.

Obwohl es aus heutiger Sicht schwer nachzuvollziehen ist, glaubten die Menschen damals an mehr als nur eine „höhere Instanz“. Laut dem Historiker Klaus Oschema, Professor an der Ruhr-Universität Bochum, stellten transzendentale Größen wie Gott, Engel oder der Teufel für die Menschen im Mittelalter potentiell echte Kommunikationspartner dar. Da der Teufel nach dieser Vorstellung wirklich existierte, konnte er ein realer Verhandlungspartner sein. Auch wenn dieser potentielle Vertragspartner reine Imagination gewesen war, konnten sich so die Menschen Dinge erklären, die sie ansonsten nicht verstanden.

EINE TEUFELSGESCHICHTE dieser Art erzählt man bis heute in Regensburg. So sollen der Dombaumeister und der Baumeister der Steinernen Brücke gewettet haben, wer sein jeweiliges Bauwerk als erster fertigstellen würde. Der Brückenbaumeister bemerkte, dass er nicht gewinnen konnte. Aus diesem Grund ging er einen Pakt mit dem Teufel ein. Dieser verlangte im Gegenzug die ersten drei Seelen, die die Brücke überqueren würden. Der Brückenbaumeister gewann seine Wette mithilfe des Teufels.

Um aber keine Seelen opfern zu müssen, trickste er den Teufel aus und schickte einen Hahn, ein Huhn und einen Hund über die Brücke. Zornig soll der Teufel die Tiere gepackt haben und in die Donau gesprungen sein. Die Wasserstrudel, die unter der Brücke zu sehen sind, liegen an der Stelle, in denen die Tiere untergingen und zur Hölle fuhren.

DIE STEINERNE BRÜCKE wurde zwischen den Jahren 1135 und 1146 erbaut. Damit war sie eine der ersten Brücken aus Stein in der bekannten Umgebung und versetzte die Regensburger Bürger ins Staunen. Mit dem gotischen Dom, wie er heute steht, wurde vermutlich erst im Jahr 1260 begonnen. Die zeitliche Ungereimtheit, dass ein Dombaumeister schon 125 Jahre vor dem Dombau eine Wette abschließt, wer als erster fertig sei, tut der Legendenerzählung jedoch keinen Abbruch.

Arthur Berchert, der Stadtführungen über die Brücke leitet, bestätigt den Historiker Oschema. „Die Teufelsgeschichte ist halt Volkskunst – ein Versuch, etwas zu erklären, was man nicht erklären kann. Das kann man mit Gott erklären oder eben mit dem Teufel. Diesmal hat an sich für den Teufel entschieden.“

Paktlegenden wie diese gibt es viele in ganz Deutschland. In regionalen Legenden kann der Teufel in der Regel ausgetrickst werden. Mit dem Sprichwort

„Dem Teufel braucht man keinen Schwur zu halten“

haben es diese Pakte sogar in den deutschen Sprachgebrauch geschafft. In Goethes „Faust“, der 650 Jahre später entstand, drängt Mephisto vielleicht deshalb lieber auf einen geschriebenen Vertrag: „Ist doch ein jedes Blättchen gut. Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut.“

DIE STEINERNE BRÜCKE wurde zwischen den Jahren 1135 und 1146 erbaut. Damit war sie eine der ersten Brücken aus Stein in der bekannten Umgebung und versetzte die Regensburger Bürger ins Staunen. Mit dem gotischen Dom, wie er heute steht, wurde vermutlich erst im Jahr 1260 begonnen. Die zeitliche Ungereimtheit, dass ein Dombaumeister schon 125 Jahre vor dem Dombau eine Wette abschließt, wer als erster fertig sei, tut der Legendenerzählung jedoch keinen Abbruch.

Oschema fasziniert der Blick auf diese mittelalterlichen Geschichten und deren Entwicklung. Veränderungen, die sich in der Denkweise der vormodernen Gesellschaft vollzogen haben, wurden in die Erzählungen eingearbeitet, um sie plausibel zu machen und aktuell zu halten. „Das ist ein Spiegel dessen, was sich in den Gesellschaften abgespielt hat.“

INSBESONDERE DIE Weiterentwicklung des Vertragswesens wird von Teufelspaktgeschichten verdeutlicht. Wie in der von der Steinernen Brücke waren Verträge zunächst hauptsächlich mündlich abgeschlossen. In neueren Geschichten wie dem „Faust“ sollte der Pakt schon schriftlich fixiert und mit Blut unterzeichnet werden, um den Geschäftspartner fester zu binden.

EIN WEITERES Beispiel dafür ist die Theophilus-Sage, Wegbereiter für den späteren Faust-Stoff. Ursprünglich stammt sie wohl aus dem 7. Jahrhundert. „Im Laufe der Zeit wandelten sich Details, im Kern beinhaltet sie aber immer die gleiche Geschichte“, erklärt Oschema. Der Geistliche Theophilus verliert unverschuldet sein Priesteramt. Um es wiederzuerlangen, schließt er einen Pakt mit dem Teufel. Der Plan gelingt und er erhält seine Position und Ansehen wieder. Obwohl er seine Seele verkauft und seinem Glauben schriftlich abgeschworen hat, wird er dank seiner Reue und der Fürbitte der Jungfrau Maria schließlich gerettet.

Oschema hat die unterschiedlich alten Versionen der Pakte in der Theophilus-Legende analysiert. Aus der Carta, einer einzelnen Urkunde in einer bekannten Version aus dem 10. Jahrhundert, wurde mit der Zeit ein Chirograph, eine fälschungssichere Urkunde in zwei Abschriften aus dem gleichen Bogen Papier und einem Siegel versehen.

Teufelspaktlegenden zeigen also zum einen, was die Menschen im Mittelalter tatsächlich geglaubt haben. Zum anderen zeigen die Veränderungen an den fiktiven Paktgeschichten die tatsächliche gesellschaftliche Entwicklung – von der einfachen mündlichen Zusage über Vertragsgesten wie den Handschlag zur Verschriftlichung der Abmachungen in einem Vertrag.

DAS MODERNE VERTRAGSWESEN lässt sich so zurück bis in seine Anfänge verfolgen. Heute wird jedes Detail vertraglich festgehalten, sei es der Handyvertrag oder die Lebensversicherung. Wie viele andere Überlieferungen sollen uns Teufelspaktgeschichten allerdings vor dem Kleingedruckten warnen: „Der Teufel steckt im Detail.“
Schon die Menschen im Mittelalter wussten das.

[ssba]

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