HUPEN FÜR VERÄNDERUNGEN
In Deutschland protestieren tausende Bauern gegen die aktuellen Zustände in der Landwirtschaft. Sie fordern möglichst schnelle und umfangreiche Veränderungen

Eine grüne Welle bahnt sich den Weg durch die deutschen Innenstädte. Tausende Traktoren rollen, gleichend einer großen Elefantenherde, hupend über die Straßen in ganz Deutschland. Diese Bilder hat wohl jeder noch im Kopf, denn übersehen konnte man diese Riesen wahrlich nicht. Doch die wenigsten wissen was hinter den Protesten der deutschen Landwirte steckt. Für viele Bürger/innen war mit der Aktion vor allem eins verbunden: Stau und Stress im Straßenverkehr. Jedoch lohnt es sich einen Blick auf die Beweggründe dieser Protestaktionen zu werfen, und was die Forderungen der Landwirte sind. Denn es geht um weit mehr als nur ein paar Traktorenkorsos, es geht um die Zukunft der deutschen Landwirtschaft.
Landwirtschaft. Ein Thema was jeden Bürger/ jede Bürgerin betrifft. Seien es Produkte wie Milch, Eier, Fleisch oder Obst und Gemüse, mit Lebensmitteln aus landwirtschaftlicher Produktion kommen die Menschen tagtäglich in Berührung. Es ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden, dass diese Güter, meist preiswert, im Supermarkt erwerbbar sind. Hinter dieser Selbstverständlichkeit steckt die Arbeit der deutschen Landwirte. Einer von ihnen ist Markus Herzog, der in Rohr bei Freystadt einen konventionellen Milchviehbetrieb führt und durchaus viele Vorteile in seinem Beruf sieht: „Als Landwirt ist man meist selbstständig, was für mich persönlich ein großer Vorteil ist. So kann ich eigenständig und selbstverantwortlich arbeiten. Darüber hinaus ist meine Arbeit sehr vielfältig. Es gibt immer wieder neue Aufgaben die anfallen, bedeutet langweilig wird mir nie. Diese abwechslungsreichen Tätigkeiten schätze ich sehr an meinem Beruf.“ Dennoch gibt es Grund für Ärger auf Seiten der Landwirte. Dieser richtet sich vor allem gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung. Diese sieht eine Vielzahl an Umweltauflagen für die Bauern vor. Vor allem ist in diesem Kontext die geplante Düngebeschränkung zum Schutz des Grundwassers zu nennen. Die EU-Kommission hatte Deutschland wegen zu hoher Nitratwerte verklagt und 2018 beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Recht bekommen. Die Beschränkung soll dafür sorgen, dass in Gebieten, wo die Nitratwerte besonders hoch sind, der Düngeeinsatz um 20% reduziert wird. Markus Herzog sieht Maßnahmen wie diese als falsch an: „Es ist für uns Landwirte nahezu unmöglich diese Vielzahl an Auflagen einzuhalten und gleichzeitig auf Weltmarktniveau zu produzieren. Die Auflagen bedeuten höhere Produktionskosten für uns, was leider dazu führt das vor allem viele kleinere landwirtschaftliche Betriebe ihre Produktion aufgrund wirtschaftlicher Misserfolge einstellen mussten. Wir haben seit Jahren stagnierende Preise, größere Betriebe haben vielleicht noch die Möglichkeit die höhren Kosten in der Produktion auszugleichen, viele kleinere Betriebe gehen jedoch aufgrund dieser finanziellen Situation kaputt.“ Doch die Düngebeschränkung ist nicht die einzige Umweltauflage die für die deutschen Bauern geplant ist. Im Rahmen des Agrarpakets der Bundesregierung, sind weitere Einschränkungen formuliert. So soll beispielsweise ab dem Jahr 2023 der Einsatz von Glyphosat verboten werden. Landwirte wie Markus Herzog finden solche Verbote nicht verhältnismäßig: „Wir haben einen internationalen Markt und befinden uns im Konkurrenzkampf mit Produkten aus der ganzen Welt. Es gibt eine Vielzahl an Ex- bzw. Importen aber keinen weltweiten Standard. In diesem Verdrängungswettbewerb kann man uns national nicht massenhaft Auflagen vorschreiben und gleichzeitig einen freien Markt propagieren. Denn diese Auflagen machen es den deutschen Landwirten extrem schwer international wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Auch Christine Singer, Kreisbäuerin des Bayrischen Bauernverband Garmisch-Partenkirchen, sieht die Maßnahmen skeptisch: „Die Auflagen erschweren das Wirtschaften und mindern die Erträge. Und das bei niedrigen Erzeugerpreisen. Entweder das wird ausgeglichen oder eine flächendeckende Landwirtschaft sowie eine regionale und landesweite Versorgung mit Lebensmitteln wird es nicht mehr geben“. Die Landwirte wollen nicht mehr länger als Umweltsünder dargestellt werden. Oft wird ihnen vorgeworfen auf Kosten der Umwelt zu arbeiten. Sie fordern eine neue Landwirtschaftspolitik. In Kooperation mit der Regierung soll im Dialog eine gemeinsame Lösung gefunden werden, wie sich Natur- und Artenschutz verbessern lassen. Den Weg über Verbote und Auflagen halten die Landwirte für den Falschen. Klaus Dorsch ist Redakteur bei Top Agrar, einem monatlich erscheinendem Agrarfachmagazin. Seiner Ansicht nach, ist es von höchster Bedeutung, dass die Landwirte und die Politik gemeinsam nach einer zufriedenstellenden Lösung suchen: „Ein Totalverbot für die Bauern ist aus meiner Sicht der falsche Weg. Vielmehr muss auf einen kooperativen Naturschutz gesetzt werden. Das bedeutet, dass Landwirte Verträge abschließen, zum Beispiel für Landschaftspflege. Dieser Ansatz ist ein guter Weg, da die Landwirte so ein Entgelt erhalten, für extensive Bewirtschaftung bzw. für die Pflege von Flächen die sonst brach liegen würden. Zu nennen ist hier in Bayern zum Beispiel das Vertragsnaturschutzprogramm, was von den Bauern auch durchaus angenommen wird.“ Dass Landwirte des Öfteren als Sündenböcke in Bezug auf Umweltschutz verurteilt werden, kann Klaus Dorsch nicht verstehen: „Die Aussage, dass Landwirte Umweltsünder seien ist schlichtweg nicht richtig. Hierbei handelt es sich um eine Pauschalaussage. Es gibt in jeder Branche schwarze Schafe ob in der Politik, im Journalismus oder eben auch in der Landwirtschaft. Diese Einzelfälle gilt es ausfindig zu machen und auch entsprechend zu sanktionieren. Aber die Ausnahmen auf die breite Masse zu projizieren ist falsch.“
Markus Herzog Christine Singer Klaus Dorsch
Die deutschen Landwirte fühlen sich für ihre geleistete Arbeit zu wenig wertgeschätzt. Ein Problem, dass die Bauern schon seit längerem beschäftigt, wie uns Christine Singer erzählt: „Die Gesellschaft sieht oft nur die Ausgleichszahlungen, große Maschinen und große Hofstellen. Außerdem steigen die Grundstückwerte in manchen Regionen in unrealistische Höhen. Landwirte sorgen zuverlässig für hochwertige, zu hohen Standards erzeugte Lebensmittel und erhalten „nebenbei“ die Kulturlandschaft. Zeitgleich sind Lebensmittel in Deutschland günstig, so dass eine angemessene Wertschätzung für Lebensmittel nicht gegeben ist.“ Markus Herzog sieht das Grundproblem der mangelnden Wertschätzung vor allem in der Außendarstellung durch die Presse: „Die Presse berichtet im Großen und Ganzen meistens leider sehr negativ über die deutschen Landwirte. Oft werden wir wir mit Vorwürfen der Tiermisshandlung konfrontiert oder wir werden als industrielle landwirtschaftliche Betriebe dargestellt, was definitiv nicht der Fall ist. Es wird die Message kommuniziert, dass Landwirte nur auf sich schauen und bei ihrer Arbeit den Umweltschutz bzw. den Klimawandel komplett außer Acht lassen. Das führt natürlich dazu, dass viele Bürger nicht die tatsächliche Arbeit sehen die wir Bauern leisten, sondern nur das aufnehmen und glauben was in der Presse berichtet wird.“ Die bereits bestehenden Auflagen in Bezug auf Umweltschutz und Tierwohl, welche die meisten deutschen Landwirte auch als wichtig und richtig erachten, bedeuten für die Bauern höhere Kosten und mehr Aufwand. Das führt dazu, dass sich im Vergleich weniger produzieren können und folglich weniger Geld einnehmen. Problematisch bei der ganzen Sache ist, dass die großen deutschen Supermarktketten wie Edeka oder Rewe bestimmen wieviel Geld die Landwirte für ihr Gemüse, Milch und Fleisch bekommen, da dort die Lebensmittel der Bauern verkauft werden. Landwirte wie Markus Herzog sind der Meinung, dass diese großen Ketten ihnen zu wenig Geld für ihre Produkte bezahlen und fordern höhere Preise. Die Supermarktketten wollen die Lebensmittel aber so billig wie möglich verkaufen, da viele Kunden da einkaufen, wo es am günstigsten ist. Klaus Dorsch von Top Agrar sieht in dieser Situation das Grundproblem der Landwirtschaft: „Das große Problem ist das fehlende Marktgleichgewicht. Es gibt eine Vielzahl an Landwirten und Verarbeitern jedoch nur wenige große Supermarktketten, die sich 95% des Marktes aufteilen. Diese großen Ketten fordern immer höhere Auflagen zum Beispiel bei der Tierhaltung, was höhere Kosten für die Landwirte bedeutet. Jedoch zahlen die Supermärkte nicht den entsprechenden Betrag, was dazu führt, dass die Bauern nicht mehr wirtschaften können und folglich immer mehr Landwirte aus der Tierhaltung aussteigen. Denn man darf nicht vergessen, dass ein Landwirt ein Unternehmen betreibt, mit dessen Erträgen er sein Leben finanziert.“ Die deutschen Landwirte fordern, dass die Supermarktketten mehr Geld für ihre Produkte zahlen. Auch der Bayerische Bauernverband setzt sich schon seit Längerem für höhere Absatzpreise für landwirtschaftliche Produkte ein. Christine Singer sieht hier dringend Handlungsbedarf: „Durch die niedrigen Lebensmittelpreise fehlt der Gesellschaft die Wertschätzung für den tatsächlichen Aufwand bei der Erzeugung von Lebensmitteln. Noch dazu zu deutschen Standards. Wir stehen in Konkurrenz mit Lebensmitteln aus aller Welt, hier ist die Bürger-Konsumenten-Lücke deutlich zu spüren.“ Würden Ketten wie beispielsweise Rewe mehr Geld für die Produkte der Landwirte zahlen, würde das auch bedeuten, dass der Preis für die Kunden etwas ansteigen würde. Markus Herzog weiß, dass alle Landwirte schlussendlich vom Kaufverhalten der Verbraucher abhängig sind: „Ohne den Verbraucher geht gar nichts. Alleine die Kunden entscheiden am Schluss ob sie regionale landwirtschaftliche Produkte kaufen oder nicht. Das Kaufverhalten der Verbraucher entscheidet darüber ob regionale Landwirtschaftsbetriebe weiterhin rentabel wirtschaften können oder nicht. Denn ist die Nachfrage nach unseren hergestellten Produkten zu gering, führt das bei uns Landwirten logischerweise zu finanziellen Einbußen oder im schlimmsten Fall zum wirtschaftlichen Ruin. Das sind logische Wirtschaftszusammenhänge, die wir nicht beeinflussen können.“ Eine Forsa Studie vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aus dem Jahr 2020 zeigt, dass gerade seit dem Beginn der Corona-Pandemie die Verbraucher verstärkt auf regionale Produkte zurückgreifen und die heimischen Lebensmittel mehr wertschätzen. Für 39 Prozent der Befragten hat durch Corona die Bedeutung der Landwirtschaft nochmal zugenommen. Besonders hoch fällt dieser Zuwachs bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus: Fast die Hälfte misst der Landwirtschaft eine höhere Bedeutung zu (47 Prozent). Des Weiteren zeigt die Studie, dass 81 Prozent der Befragten bereit wären mehr Geld für regionale tierwohlgerechte Produkte zu zahlen. Christine Singer vom Bayerischen Bauernverband weiß aber, dass es an der Ladentheke leider oftmals noch anders aussieht: „Genau da ist die Bürger-Konsumenten-Lücke zu sehen. Ich bin gespannt, ob es durch Ansätze wie den Borchert-Plan gelingt unsere Landwirtschaft in Richtung „mehr Tierwohl“ zu verändern, ohne dass die Betriebe dabei draufgehen. Ich bin positiv, aber nicht 100% überzeugt“. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, die sogenannte Borchert-Kommission, hat verschiedene Vorschläge dazu gemacht, wie der Umbau der Nutztierhaltung umgesetzt und finanziert werden kann. Als wesentliche Maßnahmen sieht der Borchert-Plan eine schrittweise Erhöhung der Haltungsstandards bis 2040 und eine Abgabe auf tierische Produkte vor.

Die Forderungen der Landwirte an die Politik sind klar, doch was ist die Sichtweise in der Politik? Die Kritik an den Umweltauflagen wird seitens der Landwirte immer größer. Laut eines Experten aus dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung Landwirtschaft und Forsten kommt man für die Durchsetzung von umweltfreundlicher Produktion nicht an Regeln und Verboten vorbei: „Freiwilligkeit führt nicht immer zu dem Ergebnis, das man sich wünscht. Zwar kann ich die Landwirte auch etwas verstehen, aber wenn Nitrat im Grundwasser ist und es Verordnungen bzw. Richtlinien seitens der EU gibt, die vorschreiben, dass Gewässer bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem guten biologischen Zustand sein müssen, die Messungen jedoch zeigen, dass das in Deutschland noch lange nicht der Fall ist, muss man nachregeln. Ansonsten geht man das Risiko ein, sehr hohe Strafen zahlen zu müssen. Es braucht im besten Fall einen relativ einheitlichen Rechtsrahmen. Ich würde mir Regeln auf europäischer, wenn nicht sogar globaler Ebene wünschen. Nationale Alleingänge sind in keinem Fall zielführend.“ Dennoch sind seitens der Politik auch Angebote zur Kooperation mit deutschen Landwirten vorhanden. So gibt es beispielsweise seit mehreren Jahren Angebote im Rahmen der Agrarumweltförderprogramme des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums Gewässerrandstreifen einzurichten. Des Weiteren ist auch ein Angebot eines Investitionsförderprogrammes für tierwohlgerechtere Haltung vorhanden. Die Politik beteiligt in dem Bezug den Steuerzahler, um den Umbau der Nutztierhaltung gemeinsam mit den Landwirten zu stemmen. Auch im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen bezahlt man beispielsweise die Landwirte für den Verzicht von chemischem Unkrautvernichtungsmitteln. Doch laut des Experten aus dem Staatsministerium ist bei diesen kooperativen Ansätzen vor allem eins wichtig: „Solche Angebote müssen breit durch die Beteiligung der Landwirte durchgesetzt werden. Viele Landwirte nutzen die kooperativen Ansätze auch, um nichts zu machen. So können logischerweise keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt werden und die Politik muss handeln.“ Auf die Forderung der Landwirte nach höheren Preisen seitens der großen Supermarktketten, kann die Politik nur bedingt einwirken. Denn da in Deutschland eine freie Marktwirtschaft herrscht, kann man die Supermärkte gesetzlich nicht zu höheren Absatzpreisen zwingen. Dennoch führt beispielsweise die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber immer wieder Gespräche mit den großen Discountern. In diesen Gesprächen versucht man im Dialog einen Weg zu finden, wie man die regionale Landwirtschaft unterstützen kann. Außerdem gibt es Projekte mit großen Ketten wie Rewe oder Edeka, durch die man beispielsweise versucht regionale Produkte zu listen. Es werden also durchaus Maßnahmen getroffen, um die Wettbewerbsposition der Erzeuger zu steigern. Allerdings kann man nichts daran ändern, dass die großen Supermarktketten in Konkurrenz stehen und jeweils die billigsten Produkte anbieten wollen. Hier sind auch der Politik gesetzliche Grenzen gesetzt, wie unser Experte aus dem Landwirtschaftsministerium erzählt: „Wir handeln im Rahmen unserer freien marktwirtschaftlichen Verfassung. Moralische Appelle seitens der Politik sind möglich, aber der Staat kann nicht in die Tätigkeiten der Supermarktketten aktiv eingreifen, dafür fehlt die Rechtsgrundlage. Aber es ist definitiv was geschehen. Doch wie langfristig diese Maßnahmen wirken, das wird die Zukunft zeigen.“ Auch gegen das Vorurteil, dass alle Bauern Umweltsünder seien, versucht man laut bayrischem Staatministerium schon länger etwas zu unternehmen. So gibt es eine Vielzahl von Formaten, die Verbraucher und Landwirte zusammenbringen. Beispielsweise besuchen Schüler/innen im Rahmen des Projekts ,,Erlebnis Bauernhof“ Bauernhöfe und helfen dort unter anderem bei der Fütterung der Tiere mit. So sollen die Heranwachsenden schon möglichst früh ein Gespür dafür haben, wie natürliche Lebensmittel produziert werden. Generell versucht man bei diesem Problem in den Schulen anzusetzen und möglichst viele Projekte umzusetzen. Im Zuge dessen soll den Kindern die Landwirtschaft realistisch dargestellt werden. Trotz der ganzen Formate, die Verbraucher und Landwirte zusammenbringen, sieht man im Staatsministerium für Landwirtschaft auch die Bauern in der Pflicht gegen das Vorurteil ,,Umweltsünder“ anzukämpfen: „Viele Landwirte sehen nur die Politik in der Pflicht, wenn es um das Verhältnis zwischen Landwirt und Verbraucher geht. Aber jeder muss seinen Beitrag leisten, denn beide Seiten haben sich leider auseinandergelebt. Es gilt diese beiden Seiten wieder aneinander zu führen. Heute haben die Menschen nur wenige Berührungspunkte mit der Landwirtschaft. Aber vor allem bei den jungen Leuten herrscht ein großes Interesse an Nachhaltigkeit. Dort gilt es die Leute abzuholen. Die Politik kann die Landwirte dabei unterstützen, jedoch müssen die Bauern auch selbst dafür sorgen, dass sie in der Öffentlichkeit wieder positiver wahrgenommen werden. Sie müssen aktiv in die Öffentlichkeit treten, beispielsweise indem sie ihr Handeln transparent machen oder Hoffeste veranstalten, bei denen sich die Leute ein umfassendes Bild von der Arbeit der Landwirte machen können. Die Devise lautet: Agieren statt Reagieren.“
Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber
Welche Wirkung die bisherigen Bauernproteste bereits haben, zeigt beispielsweise die ,,Bauernmilliarde“ von der Politik, wobei es sich um Investitionszuschüsse für die Landwirtschaft handelt. Außerdem hat das Bundeskabinett im Jahr 2020 in Folge der Massenproteste die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ einberufen. Im Zuge dessen sollen Praktiker, Wissenschaftler und gesellschaftliche Akteure Empfehlungen und praxistaugliche Wege für eine produktive und ressourcenschonende Landwirtschaft erarbeiten. Zur organisatorischen Unterstützung des Gremiums wurde eine Geschäftsstelle der Bundesregierung beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eingerichtet. Auch der oben genannte Borchert-Plan, der mit finanziellen Anreizen die Landwirte dazu bewegen will tierwohlgerechter zu produzieren, wäre ohne die vielen Proteste wohl nicht zustande gekommen. Es bleibt also festzuhalten, dass die die Aktionen der Landwirte nicht ohne Wirkung geblieben sind. Was sich im Endeffekt langfristig verändert, wird die Zukunft zeigen sagt Klaus Dorsch: „Es gibt aktuell gute Ansätze, wie beispielsweise die Zukunftskommission Landwirtschaft. Des Weiteren wurde die Aufmerksamkeit insgesamt mehr in Richtung Landwirte gelenkt. Auch einzelne Lebensmitteleinzelhändler wie Lidl haben zum Teil Geld in den landwirtschaftlichen Bereich gesteckt. Ob es ich hierbei nur um kurzfristige Maßnahmen handelt, um Druck aus dem Kessel zu nehmen, oder ob es langfristige Veränderungen in Gesellschaft sowie in Politik geben wird, bleibt abzuwarten.“
Wie die Zukunft der deutschen Landwirte aussieht, wird sich zeigen. Eins ist aber sicher: Die nächsten Jahre sind richtungsweisend dafür, wo die Landwirtschaft sich hinbewegt. Das Thema Regionalität wird mit großer Wahrscheinlichkeit weiterhin an Bedeutung gewinnen, was den Landwirten in jedem Fall entgegenkommen würde. Der Umwelt- und Artenschutz ist keine alleinige Angelegenheit der Landwirte, sondern der gesamten Gesellschaft. Jeder kann beispielsweise durch den Kauf von regionalen/heimischen Produkten die Landwirtschaft stärken und darüber hinaus noch einen wichtigen Beitrag für den Erhalt unserer Umwelt leisten. Seitens der Landwirte muss sich vor allem darum gekümmert werden, die Verbraucher wieder an die Landwirtschaft heranzuführen, ohne sich dabei vollends auf die Politik zu verlassen. In jedem Fall wird die Landwirtschaft weiterhin gebraucht, für Klimaschutz, für die Produktion regionaler Lebensmittel und für die Gestaltung eines intakten ländlichen Raums. Doch um diesen Stellenwert aufrecht zu erhalten braucht es ein Umdenken. Vor allem bei den Konsumenten, in der Politik und bei den großen Supermarktketten, aber auch bei den Landwirten selbst. Die Politik muss durch flexible und durchdachte Förderprogramme die Landwirtschaft unterstützen und ihnen einen Rahmen für rentables und gleichzeitig umweltfreundliches Wirtschaften schaffen. Kommen diese Punkte zusammen und ziehen alle an einem Strang, dann wird man in Zukunft wohl auf die großen grünen blechartigen Elefantenherden in deutschen Innenstädten verzichten können.